Langer Weg zum eigenständigen Bildungswesen in der Deutschsprachigen Gemeinschaft

Seit 1989 sind die drei Gemeinschaften Belgiens für das Bildungswesen verantwortlich. Bis dahin musste so mancher „Schulkrieg“ geschlichtet werden, um den heutigen Status auch in Ostbelgien zu erreichen.

Am Ende hat die Übertragung des Unterrichtswesens vom Föderalstaat an die Gemeinschaften dazu geführt, dass die Eigenheiten der drei Sprach- und Kulturgemeinschaften im Schulsystem berücksichtigt wurden. Es gibt daher keine nationale, einheitliche Gesetzgebung, sondern oft unterschiedliche gesetzliche Regelungen und Anordnungen je nach Landesteil.

Wie kam es dazu? Die Staatsgründung Belgiens 1830 führte u.a. dazu, dass die neue Verfassung ein Jahr später die Unabhängigkeit des Unterrichtswesens garantierte. Mit Folgen: Viele Gemeinden schlossen ihre Schulen, um sich finanziell zu entlasten. Die katholische Kirche hingegen gründete neue Schulen. Hier liegen die Wurzeln für die öffentlich-rechtlichen und freien (privaten) Schulen, wie es sie bis heute gibt.

1842 trat das erste Grundlagengesetz für Primarschulen in Kraft. Schule war noch nicht kostenlos für alle, katholische Religion war Pflichtfach. 1850 folgte ein erstes Gesetz, um das Sekundarschulwesen zu organisieren. Es schuf die Basis, damit der Staat Sekundarschulen (Königliche Athenäen) und Mittelschulen übernahm bzw. gründete. Das sogenannte "freie" Schulnetz entwickelte sich parallel zum staatlichen Unterrichtswesen.

„Schulkriege“ endeten 1959 mit Kompromiss: Schulpakt

Immer wieder prallten Anhänger der öffentlich-rechtlichen und der freien, hauptsächlich katholischen, Bildungsanstalten aufeinander - bis man von „Schulkriegen“ (1879-1884, 1951-1958) sprach. Schulen waren schon frei zugänglich, es gab kein Schulgeld mehr, staatliche Schulen wurden konfessionell unabhängig. Die katholische Kirche aber forderte mehr: ein eigenes Bildungswesen und finanzielle Unterstützung.

Auf Krieg folgt Frieden: 1959 kam es per Gesetz zum Schulpakt. Er gilt seitdem in allen Stufen, vom Kindergarten über Hochschule bis zur Erwachsenenbildung – seitdem herrscht Wahlfreiheit zwischen Religions- oder nicht konfessionell gebundenen Sittenlehre.

Beide Weltkriege rüttelten das Bildungssystem in der Deutschsprachigen Gemeinschaft durcheinander: Mal wurde Französisch, mal Deutsch im Unterricht gesprochen.

Erst die Sprachgesetzgebung von 1963 erklärte Deutsch offiziell zur dritten Landes-, Amts- und Unterrichtssprache in der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Ende der 60er Jahre fand auch in Belgien eine Unterrichtsreform in mehreren Phasen statt. Auf die Grundschulwesenreform mit einer flexibleren Ausbildung und angepassten Lern- und Lehrmethoden folgte 1971 der "reformierte Unterricht" in den Sekundarschulen. Aufgrund der Verlängerung der Schulpflicht bis 18 Jahre wurde das Sekundarschulwesen 1983 nochmals neu geregelt.

Für Kinder, die nicht in der Lage sind, dem Regelunterricht zu folgen, hat Belgien schon relativ früh ein gut strukturiertes Förderschulsystem eingerichtet. Am 11. Mai 2009 verabschiedete das Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft das Förderschuldekret.